Master-Thesis von Denny Renz
bei
Prof. Dipl.Arch. M.Arch. Niels Jonkhans
Prof. Dipl.Ing. Nadja Letzel
September 2012
GEDD: Der Entwurf ist nur mit digitalen Mitteln möglich: Die komplexe Gebäudegeometrie wurde vollständig in 3D-CAD und physischen (Arbeits-)modellen entwickelt. Ein Schwerpunkt des Projekts ist die virtuelle Echtzeit-Simulation des Gebäudes mitsamt seiner (weitläufigen) Umgebung. Der/die Betrachter/in kann sich mittels Controller (zB. Joystick/VR-Brille) frei in der äußerst realitätsnah simulierten Umgebung des Branitzer Waldes bewegen und sich dem Wasserkraftwerk nähern. Die behutsame Einbettung des Kraftwerks in den Naturraum kann so realitätsnah nachempfunden werden: Das Thema Natur<>Architektur wird direkt “erlebbar”.
Die Arbeit wird erst durch den “digitalen Workflow” – dem sich ergänzendem Einsatz verschiedener digitaler Werkzeuge – möglich.
Software: Rhino wurde als 3D-Modellierungswerkzeug genutzt, ebenso SketchUp für schnelle Modellstudien, CryEngine zur Erstellung der simulativen Umgebung und kleineren Modelling-Arbeiten sowie 3DS-Max für komplexere Material-Texturen. Weitere Werkzeuge: ArchiCAD (2D-Pläne), VRay/Photoshop (Renderings), InDesign (Pläne, Booklet), Premiere (Filmschnitt).
WKC – Wasserkraftwerk Cottbus
Denny Renz
Wenn man sich Cottbus und die Lausitz im historischen und gegenwärtigen Zustand ansieht, wird man sehr schnell auf den demographischen Wandel, der irreversiblen Schändung der ökologischen Struktur durch Braunkohlegruben und den damit einhergehenden Widersprüchlichkeiten aufmerksam: massiver Auf- und Abbau städtischer Strukturen, Umsiedlungsverfahren, Rekultivierung von Landschaft und Natur bei gleichzeitigen Plänen, neue Braunkohlegruben zu erschließen bzw. bestehende zu erweitern.
Die Produktion von Energie soll aus wirtschaftlichen Gründen künstlich mit fossilen Brennstoffen am Leben gehalten werden, obwohl in großem Stil Energie regenerativ erzeugt werden kann.
Energieexportland
Folgerichtig sollte ich mich für das Themengebiet mit den Fragen der Energiewirtschaft auseinandersetzen, immerhin ist ihr seit fast 160 Jahren die größte Aufmerksamkeit zuteil geworden. Aus dieser Überlegung Heraus stellt sich also die Frage, wie man Energieerzeugung in architektonischen Kontext mit den gegebenen möglichkeiten packen kann. Wasserkraft ist die vom Menschen am längsten genutzte Energiequelle und bietet sich neben Wind- und Solarenergie in Cottbus mit der durchfließenden Spree gut an.
Resultieren aus diesen Überlegungen sind bei genaueren Nachforschungen interessante Fakten zutage gekommen: entlang der Spree gibt es insgesamt 4 Stauwehre von denen eins, das an der Spreewehrmühle, Strom produziert und bei einem weiterem, dem E-Werk, Überlegungen zur wieder Inbetriebnahme existieren. Das Stauwehr Kiekebusch, etwas außerhalb vom Stadtkern, ist lediglich ein Wehr als solches und verbindet die West-und Ostufer der Spree. Beim recherchieren der Gewässerschutzverordnung Brandenburgs hat sich herausgestellt, daß das Land Brandenburg zwar größere Eingriffen an der Spree mißbilligt, jedoch potentielle Energieerzeugungspotentiale ausgenutzt werden sollen. Somit habe ich für meine Thesisarbeit hiermit die optimale Aufgabe: Energieerzeugung am Stauwehr Kiekebusch.
Ein Wasserkraftwerk für Cottbus.
Die Staustufe hat seine Primärfunktionen unter anderem in der Grundwasserregulierung des Branitzer Parks und dem Hochwasserschutz.
Desweiteren verbindet sie, wie bereits genannt, die Ost- und Westufer von Cottbus – ein Radweg kreuzt die Wehranlage. In Richtung West befindet sich die alte Marktgrafenmühle, Richtung Ost geht es über Kiekebusch zum Branitzer Park. Desweiteren sind zur Sommerzeit viele Besucher anzutreffen, die neben dem Sonnenbaden auch Grillen oder den Ort zum kurzweiligen Verbleib nutzen, bevor es mit dem Paddelboot weitergeht.
Neben dem Nutzen des Energiepotentials soll also auch der Besucher mit einbezogen werden, wodurch primär die Auseinandersetzung mit dem Land Lausitz als auch dem Energieerzeugungsprozess gleichermaßen die Hauptrolle zuteil werden soll. Besucherbereiche und Kraftwerk sollen am Ende zu einem homogenen Baukörper verschmelzen.
Bereits in den ersten Konzeptphasen war klar, das der Baukörper als solcher ein möglichst aufgelöster, aus der Landschaft wachsender sein sollte. Frühere Varianten waren lamellenartige Strukturen die, wie die umgebenden Bäume, in die Höhe ragen – dieses Konzept wurde Aufgrund von Platzproblemen und mangelnden Sichtbezügen schnell verworfen.
Auch stellte sich die Frage, wie und wo ein Wasserkraftwerk an dieser Stelle verortet werden kann, kreuzen sich doch verschiedene Wege. Weitere Konzepte spielten mit Lamellenstrukturen in der Horizontalen, wobei die Staustufe selbst eher unberücksichtigt blieb und später sogar abgebrochen werden sollte, um den Baukörper und damit die Gesamtsituation an der Stelle homogener wirken zu lassen.
Andere Varianten beschäftigten sich später vor allem mit der Verortung an verschiedenen Stellen an einer nun Bestehend bleibenden Staustufe und Überlegungen eines “parasitären“ Entwurfs entstanden.
Nur eine Sache war bereits im Vorfeld klar: Die Turbine, das Herz des Entwurfs, soll so “erlebbar“ und dynamisch wie möglich im Entwurf verankert werden. Somit wurde der Baukörper letztendlich aus dem Konzept des Krafthauses heraus entwickelt – im Endeffekt eine rein rationale Entwicklung. Beschränkten sich die ersten Versionen einer Turbine noch auf eine herkömmliche Einbauweise die die Energie über die Fallhöhe bezieht, so wie von Aquilex entnommen, wurde die Ausrichtung später als Fließwasserkraftwerk definiert und das Konzept der von Innen heraus fließenden Dynamik erreicht, indem auf eine axial eingebaute Kaplanrohrturbine gesetzt wurde. Als diese Parameter festgelegt wurden, konnte anschließend die Verortung und der Einbezug des Wegesystems genauer untersucht und verarbeitet werden.
Ausgehend von verschiedenen Feldern, die sich durch die Wegeachsen ergeben und dem Bestand, an dessen Ostufer eine Fischtreppe ist, habe ich mich letztendlich dafür entschieden, das Wasserkraftwerk als angedocktes Bauwerk zum Bestand zu betrachten. Ausgehend vom Zusammenspiel der Flußlinien von Wegesystem und Wasserlaufrichtung und unter Einbehalt des Lamellenkonzepts, entstand genau das, was die anfängliche Idee -in anderer Form- war: ein aus der Landschaft wachsender Baukörper, der sich den örtlichen Gegeben- heiten sowie den organischen Formen der umgebenden Natur anpasst.
Präsentationspläne
Standbilder aus der Echtzeit-Simulation
die zeigen, wie sich das Kraftwerk in die natürliche Umgebung einbettet / versteckt
Panoramen
Gebäude von aussen:
Innen:
Umgebung:
Details
… da man in der virtuellen Umgebung auch alles “anfassen” können muss 😉
Theoretische Ausarbeitung
Eine persönliche Reise durch die Lausitz, festgehalten durch kurze Texte zu besuchten Orten und ihre Geschichte sowie einer Fotodokumentation.
Aus der Thesis:
“Der theoretische Teil meiner Masterthesis ist keiner im herkömmlichen Sinne (an der Architekturfakultät in Nürnberg), viel mehr ist er eine begleitende Dokumentation resultierend aus der Herangehensweise an das Projekt selbst. Durch das Erfassen des Ist-Zustandes der Lausitz, allem voran dem Festhalten von Momenten, ist im Endeffekt der emotionale Wert gleichwertig der Fakten und Bedarf nicht nur der trockenen Vermittlung diverser Zahlen und Werte.
Um die Lausitz näher an das Projekt zu rücken, oder umgekehrt, braucht es die allgemeine Erläuterung in Schrift und Bild. Kombiniert soll es eher als darstellerische Begleitung wahrgenommen und auch so verstanden werden. Worte allein werden der Lausitz nicht gerecht.
(…)
Alte Heimat neu entdeckt! Ich beschäftigte mich mehr mit der Historie des Ortes, suchte nach Gründen für einen Ort, der so stark von seinen Kontrasten lebt – Natur und Verwüstung der Umwelt, restaurierte Altbauten und die grauen Monolithen der DDR, die am Stadtrand ihr Dasein fristen/fristeten. Modernisierungen in und um Cottbus herum, flankiert von alten Frabrikhallen, abbruchreifen Kasernen, ehemalige Anlagen der Stasi, immer mit dem Trademark der sozialistischen Bauweise der ehemaligen Sowjetunion.
Irgendwann nahm ich die Kamera und begann das Dokumentieren, in und um Cottbus herum. Ich fotografierte die kolossalen Arbeitsgeräte der Tagebauten, bei Tag wie Nacht, streifte nachts durch ein altes Stasi-Gefängnis, einer Jugendstrafanstalt, meiner alten Grundschule kurz vor und nach Abbruch, besuchte viele Projekte der IBA, sah meinen alten, verlassenen Plattenbaukindergarten nach 23 Jahren und dementsprechend den Gruppenraum wieder – und zog durch den verlassenen und Abbruchbereiten Stadtteil Schmellwitz, zu dem Zeitpunkt wie eine Geisterstadt, stieg durch zerborstene Türen und Fenster, nur um noch einmal die Wohnungen zu besuchen, in denen wir mal gelebt haben.
Die Kombination aus altem, neu erlebten, gegenwärtigen und zukünftigen aus Medien, Bestand, dem Abstand zur Heimat sowie dem Kontrast von West und Ost übt eine dermaßen große Faszination auf mich aus, das ich meinen Antrieb zum Thema der Masterthesis gefunden habe. Ich will mich näher mit dem befassen, was mich geprägt hat, mich ausmacht und an den Punkt geführt hat, an dem ich jetzt bin.”
Überblick der theoretischen Arbeit: